Berlin, den 9.10.1939

 

Der Oberste Befehlshaber der Wehrmacht

OKW Nr. 172/39

g. K. Chefs. WFA/L

 

Geheime Kommandosache

Chef Sache

Nur durch Offizier

 

8 Ausfertigungen

2. Ausfertigung.

 

Weisung Nr. 6 für die Kriegführung

 

1.) Sollte in der nächsten Zeit zu erkennen sein, daß England und unter dessen Führung auch Frankreich nicht gewillt sind, den Krieg zu beenden, so bin ich entschlossen, ohne lange Zeit verstreichen zu lassen, aktiv und offensiv zu handeln.

 

2.) Ein längeres Abwarten führt nicht nur zu einer Beseitigung der belgischen, vielleicht auch der holländischen Neutralität zugunsten der Westmächte, sondern stärkt auch die militärische Kraft unserer Feinde in zunehmendem Maße, läßt das Vertrauen der Neutralen auf einen Endsieg Deutschlands schwinden, und trägt nicht dazu bei, Italien als militärischen Bundesgenossen an unsere Seite zu bringen.

 

3.) Für die Weiterführung der militärischen Operationen befehle ich daher folgendes:

 

a) Am Nordflügel der Westfront ist durch den luxemburgisch-belgischen und holländischen Raum eine Angriffsoperation vorzubereiten. Dieser Angriff muß so stark und so frühzeitig als möglich geführt werden.

 

b) Zweck dieser Angriffsoperation ist es, möglichst starke Teile des französischen Operationsheeres und die an seiner Seite fechtenden Verbündeten zu schlagen, und gleichzeitig möglichst viel holländischen, belgischen und nordfranzösischen Raum als Basis für eine aussichtsreiche Luft- und Seekriegführung gegen England und als weites Vorfeld des lebenswichtigen Ruhrgebietes zu gewinnen.

 

c) Der Zeitpunkt des Angriffes ist abhängig von der Verwendungsbereitschaft der Panzer und Mot.-Verbände, die unter Anspannung aller Kräfte zu beschleunigen ist und von der dann gegebenen und in Aussicht stehenden Wetterlage.

 

4.) Die Luftwaffe verhindert das Eingreifen der französischenglischen Luftwaffe gegen das eigene Heer und unterstützt, soweit erforderlich, dessen Vorgehen unmittelbar. Hierbei wird es auch darauf ankommen, das Festsetzen der englisch-französischen Luftwaffe sowie englische Truppenlandungen in Belgien und Holland zu verhindern.

 

5.) Die Seekriegführung hat alles daran zu setzen, um für die Dauer dieses Angriffs die Operationen des Heeres und der Luftwaffe mittelbar oder unmittelbar unterstützen zu können.

 

6.) Neben diesen Vorbereitungen für den planmäßigen Beginn des Angriffs im Westen müssen Heer und Luftwaffe jederzeit und in zunehmender Stärke bereit sein, um sofort einem französisch-englischen Einmarsch nach Belgien möglichst weit vorwärts auf belgischem Gebiet entgegentreten und Holland m einem möglichst weiten Umfang in Richtung auf die Westküste besetzen zu können.

 

7.) Die Tarnung der Vorbereitungen muß darauf abgestimmt sein, daß es sich nur um Vorsichtsmaßnahmen gegenüber der drohenden Versammlung französischer und englischer Kräfte an der französisch-luxemburgischen und belgischen Grenze handelt.

 

8.) Die Herren Oberbefehlshaber bitte ich, mir auf Grund dieser Weisung ihre Absichten im einzelnen möglichst bald vorzutragen und mich über das OKW fortlaufend über den Stand der Vorbereitungen unterrichtet zu halten.

 

Adolf Hitler

 

Verteiler:

OKH 1. Ausf.

OKM 2.

R. d. L. u. Ob. d. L. 3.

OKW:

Chef WFA 4.

Chef L 5.

I a 6.

I b 7.

I c 8.